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Prof. Dr. Dr. h. c. Schwab, Dieter (Hrsg.)
Richter am BGH Dose, Hans-Joachim (Hrsg.)
Familienrecht in Praxis und Theorie
Festschrift für Meo-Micaela Hahne zum 65. Geburtstag
€ 128,00 | bestellen
ISBN: 978-3-7694-1095-2
2012/05 | X und 486 Seiten | Leinen
Die der langjährigen Vorsitzenden des XII. Zivilsenats - Familiensenats - des Bundesgerichtshofs zugleich zum Eintritt in den Ruhestand gewidmete Festschrift vereinigt für Praxis und Wissenschaft maßgebliche Beiträge von Fachkollegen und Weggefährten zu den Themengebieten
I. Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung
Andre Botur, Die Urteile des Reichsgerichts vom 12. Juli 1934 zur Anfechtbarkeit der Rassenmischehe - Dagmar Coester-Waltjen / Michael Coester, Polygamie im 21. Jahrhundert - Elisabeth Koch, Eherecht und Scheidungsfolgen um 1900 - Alexandra Rumo-Jungo, Der Betreuungsunterhalt: Nachholbedarf in der Schweiz
II. Europäisches Recht und Internationales Recht
Tobias Helms, Sind die am Staatsangehörigkeitsprinzip orientierten
Anknüpfungsregeln der Art. 22, 23 EGBGB noch zeitgemäß? - Dieter Henrich, Zum Tatbestand der Kindesentführung - Walter Pintens, Formerfordernisse in dem Vorschlag für eine EU-Verordnung im Bereich des Ehegüterrechts
III. Familienvermögensrecht
Ludwig Bergschneider, Ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und
des Bundesgerichtshofs zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch zeitgemäß? - Gerd Brudermüller, Des "Pudels Kern" - Probleme der Kernbereichslehre bei Eheverträgen zum Güterrecht - Rainer Frank, Lebzeitige Schenkungen des Erblassers zum Nachteil pflichtteilsberechtigter Kinder - Herbert Grziwotz, Zugewinnausgleich während der Ehe - Teilhabegerechtigkeit nur bei einer Scheidung? - Rudolf Schröder, Ausgewählte Probleme bei Bewertungen im Zugewinnausgleich - Dieter Schwab, Schenkung unter Ehegatten - eine verdächtige Sache? - Reinhardt Wever, Korrekturinstrumente in der Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Güterrechts: Sind Ehegatteninnengesellschaft, ehebezogene Zuwendung und Kooperationsvertrag noch zeitgemäß?
IV. Unterhaltsrecht
Hans-Joachim Dose, Das Maß des nachehelichen Unterhalts vorgestern - gestern - heute - morgen - übermorgen - Peter Gerhardt, Der Erwerbstätigenbonus im Unterhaltsrecht - Peter Gottwald, Zur Abänderung von Unterhaltstiteln - alte Probleme im neuen Gewande - Heinz Holzhauer, Gleichberechtigung im Unterhaltsrecht - Rainer Hoppenz, Die Abänderung von Unterhaltstiteln aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - Frank Klinkhammer, Gesetzesbindung und Rechtsfortbildung am Beispiel der "ehelichen Lebensverhältnisse" nach § 1578 I 1 BGB - Ingeborg Rakete-Dombek, Die Form der Beurkundung in § 1585c S. 3 BGB und der gerichtliche Vergleich gem. § 127a BGB bzw. gem. § 278 Abs. 6 ZPO als Ersatz für die vorgesehene Beurkundungsform - Roger Schilling, § 1578b BGB - eine Zwischenbilanz - Ingeborg Schwenzer / Sophie Holdt, Ausbildungsunterhalt für volljährige Kinder - Rolf Schlünder, Die nacheheliche Solidarität - ein facettenreiches Prinzip
V. Versorgungsausgleich
Helmut Borth, Die Neustrukturierung des Abänderungsverfahrens im Versorgungsausgleich - Reparaturstelle des neuen Versorgungsausgleichs? - Rainer Glockner, Vom Rentenausgleich zum Rentenwertausgleich - Birgit Grundmann/Matthias Schmid, Wandel der Altersvorsorge und Strukturreform des Versorgungsausgleichs - Andreas Holzwarth, Die Behandlung beim Wertausgleich vergessener oder verheimlichter Anrechte - Hartmut Wick, Die Bagatellklausel des § 18 Versorgungsausgleichsgesetz im Spannungsfeld zum Halbteilungsgrundsatz
VI. Kindschaftsrecht
Lore Maria Peschel-Gutzeit, Eine stille Revolution: Von der Nichtverwandtschaft zur Gleichberechtigung des nichtehelichen Vaters - Wolfgang Reimann, § 1638 BGB - eine wenig beachtete Norm zwischen Familienrecht und Erbrecht - Harald Scholz, Die Gleichstellung des "unehelichen" und des ehelichen Kindes - ein langwieriger Prozess
Schriftenverzeichnis von Meo-Micaela Hahne
Schon aus Raumgründen ist es nicht möglich, die einzelnen Beiträge im Rahmen dieser Besprechung hinreichend zu würdigen. Insoweit sei bei Autoren und Lesern um Nachsicht gebeten. Wenn im Folgenden deshalb nur einem Teil der Aufsätze des Bandes näher nachgegangen wird, so spiegelt dies einerseits durchaus subjektive Auswahlentscheidungen des Rezensenten wider, begleitet allerdings von der Hoffnung, damit auch einige Schwerpunkte der allgemeinen und übergreifenden Entwicklung des Familienrechts und der Familienrechtswissenschaft getroffen zu haben.
Der Thematik Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung gewidmet sind die Aufsätze von Andre Botur, Die Urteile des Reichsgerichts vom 12. Juli 1934 zur Anfechtbarkeit der Rassenmischehe, von Dagmar Coester-Waltjen/Michael Coester, Polygamie im 21. Jahrhundert, Elisabeth Koch, Eherecht und Scheidungsfolgen um 1900, und Alexandra Rumo-Jungo, Der Betreuungsunterhalt: Nachholbedarf in der Schweiz. Im Mittelpunkt des Beitrages von Botur stehen die beiden Entscheidungen RGZ 145, 1 ff. und RGZ 145, 8 ff. (Juli 1934). Rechtlicher Hintergrund ist § 1333 BGB a. F. (Eheanfechtung wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften des Ehegatten). Geschildert wird der Eingang der nationalsozialistischen Rasselehre in die Auslegung dieser Vorschrift (Rassezugehörigkeit als "persönliche Eigenschaft") und die sich immer stärker durchsetzende Annahme eines insoweit möglichen rechtserheblichen Bedeutungsirrtums. Was vom IV. Zivilsenat des RG noch als Versuch einer beweisrechtlichen Eindämmung der Anfechtungsmöglichkeit geplant gewesen sein könnte (seit dem nationalsozialistischen Parteiprogramm von 1920 sei eine Unkenntnis über die Bedeutung der Rassezugehörigkeit erfahrungsgemäß auszuschließen), war jedenfalls für die folgende Rechtspraxis - insbesondere die der Instanzgerichte - weitgehend bedeutungslos. - Welchem Ehe- und Ehescheidungsrecht wäre die Jubilarin als "Senatspräsidentin" des Familiensenats des RG im Jahr des Inkrafttretens des BGB begegnet? Nicht nur eine hypothetische Zeitreise (die bei veränderten biologischen Daten Realität hätte sein können), sondern eine echte Fiktion (weil, die "Rückreise" unterstellt, ein Jurastudium für Frauen in dieser Zeit unmöglich war) ist für Elisabeth Koch Ausgang für eine tour d'horizon durch die markantesten Eherechtspartien unseres BGB in seiner ursprünglichen Fassung: persönliche Eheschließungsvoraussetzungen, eheliche Lebensgemeinschaft und Haushaltsführung der Ehefrau unter dem Bestimmungsrecht des Ehemannes, Kündigungsrecht des Ehemannes bei "unerlaubter" Berufstätigkeit der Frau, Schlüsselgewalt nach den Regeln des Auftrags- und Vertretungsrechts, der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Frauenguts durch den Ehemann, Scheidungstatbestände und Scheidungsfolgen. Nach gut einhundert Jahren ist vom ehemaligen Eherecht (fast) nichts übrig geblieben - dem Grundgesetz sei's gedankt.
Der Bereich Europäisches Recht und Internationales Recht umfasst drei Aufsätze: Tobias Helms, Sind die am Staatsangehörigkeitsprinzip orientierten Anknüpfungsregeln der Art. 22, 23 EGBGB noch zeitgemäß?; Dieter Henrich, Zum Tatbestand der Kindesentführung; Walter Pintens, Formerfordernisse in dem Vorschlag für eine EU-Verordnung im Bereich des Ehegüterrechts.
Mit dem Familienvermögensrecht beschäftigen sich insgesamt sieben Beiträge. Ludwig Bergschneider geht der Frage nach: Ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch zeitgemäß? Mit bedenkenswerten Überlegungen wird dargelegt, dass seit den ersten Entscheidungen des BVerfG zur Notwendigkeit einer richterlichen Inhaltskontrolle sich die dort dafür als Argumente ins Feld geführten Grundlagen derart verändert haben, dass sie die im Anschluss daran vom BGH entwickelte Inhaltskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) heute kaum mehr zu rechtfertigen vermögen: völlige Veränderung der sozialen Stellung einer nichtehelichen Mutter; drastische Abkehr von der (hohen) Bedeutung der persönlichen Betreuung eines Kindes durch einen Elternteil; erweiterte Vertragsfreiheit beim Versorgungsausgleich; Einführung der notariellen Beurkundung bei Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt. Zur Debatte gestellt wird, auf die bisherige Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen (§ 138 BGB) ganz zu verzichten. -Die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen ist auch Gegenstand Gerd Brudermüllers Aufsatz: Des "Pudels Kern" - Probleme der Kernbereichslehre bei Eheverträgen zum Güterrecht. Nachgespürt wird den materiellen Legitimationsargumenten für die Abstufung der Abdingbarkeit nachehelicher Rechtsfolgen im Sinne der Kernbereichslehre: (lebensnotwendige) Bedürfnisdeckung im "Kern" (Unterhalt); Teilhabeansprüche (auf der Grundlage der Gleichberechtigung der Parteien und der Gleichwertigkeit ihrer Familienbeiträge). Allerdings können einzelnen nachehelichen Rechtsfolgen auch weiterreichende Funktionen zukommen. So etwa dem Zugewinnausgleich neben dem Aspekt der Teilhabegerechtigkeit immer stärker eine Versorgungsfunktion (Vermögensbildung statt Versorgungsanwartschaften). Plädiert wird für eine Neuausrichtung der Kernbereichslehre im Sinne einer (stärker) relativen Betrachtungsweise, die die Frage und das Maß der Abdingbarkeit von den in concreto auszugleichenden "ehebedingten" Nachteilen abhängig macht und dann dem Zugewinnausgleich auch einen höheren "Stellenwert" in Fragen des vertragsmäßigen Anschlusses einräumen sollte. - Eine rechtsvergleichende Studie von Rainer Frank thematisiert lebzeitige Schenkungen des Erblassers zum Nachteil pflichtteilsberechtiger Kinder. - Fragen der Teilhabegerechtigkeit im gesetzlichen Güterrecht werden auch im Aufsatz von Herbert Grziwotz aufgegriffen: Zugewinnausgleich während der Ehe - Teilhabegerechtigkeit nur bei einer Scheidung? Es geht im Kern um die völlig zu Recht betonte (und seit langem bekannte) gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung von Familienarbeit (Kindererziehung, Haushalt, Pflegetätigkeit), die durch das gesetzliche Güterrecht während der Ehe nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 2 GG, Art. 6 Abs. 1 GG ausgeglichen wird. Die Versuche der Kautelarjurisprudenz, hier Abhilfe zu schaffen, lässt der Autor Revue passieren, um am Ende doch eher resignierend zu prophezeien: Ohne Umdenken von Staat und Gesellschaft wird die naheliegende Konsequenz dieser Ungerechtigkeit die Folge sein, dass sich ein Partner weigert, entsprechende Leistungen zu erbringen. Dem Rezensenten selbst ist dabei vieles aus dem Herzen gesprochen, und es sei angefügt: Die Wurzel dieses Befundes ist das geltende gesetzliche Güterrecht als eine gesetzliche Gütertrennung. Echte Gleichberechtigung verlangt nach güterrechtlicher Beteiligung bereits während der Ehe. - Rudolf Schröder beschreibt ausgewählte Probleme bei Bewertungen im Zugewinnausgleich, und Dieter Schwab wirft die Frage auf: Schenkung unter Ehegatten - eine verdächtige Sache? Der Beitrag geht im Wesentlichen zwei Punkten nach. Einmal der BGH-Rechtsprechung zur Abgrenzung von Schenkung und "unbenannter" ("ehebedingter") Zuwendung. Zu Recht wird hier geltend gemacht, dass diese Rechtsprechung die Ebenen von (besonderem) Geschäftsinhalt (der diese Zuwendung ja gerade dem Geschäftstypus der Schenkung entzieht) und Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB als Ausgleichsmechanismus) vermischt. Die Auflösung dieses dogmatischen Zwitterwesens ließe sich nach Auffassung des Rezensenten erreichen, wenn als causa dieser Zuwendungen eine ausschließlich familienrechtliche, nämlich das gegenseitige eheliche Einvernehmen (vgl. § 1356 BGB) akzeptiert würde. Zum Zweiten geht es um Ehegattenschenkung und § 1374 Abs. 2 BGB. Hier ist dem Beitrag (mit anderen Stimmen in der Literatur und entgegen der Rechtsprechung des BGH) darin beizupflichten, dass ("echte") Schenkungen unter Ehegatten privilegierten Erwerb i. S. des § 1374 Abs. 2 BGB darstellen. - Die rechtspolitische und dogmatische Brisanz des "Nebengüterrechts" macht auch der Aufsatz von Reinhard Wever "Korrekturinstrumente in der Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Güterrechts: Sind Ehegatteninnengesellschaft, ehebezogene Zuwendung und Kooperationsvertrag noch zeitgemäß?" zu seinem Thema. Nach einem kritischen Aufriss der in Judikatur und Literatur diskutierten Lösungswege plädiert die Stellungnahme im Wesentlichen für den status quo mit der Überlegung, einen Ausgleich auf die Fälle des Kooperationsvertrages und der ehebezogenen Zuwendung zu beschränken und beide Male die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zur Anwendung zu bringen.
Dem Unterhaltsrecht gewidmet sind insgesamt zehn Beiträge. Besonderes Interesse zieht der Aufsatz von Hans-Joachim Dose "Das Maß des nachehelichen Unterhalts vorgestern-gestern-heute-morgen-übermorgen" auf sich - und er verdient dieses in vollem Umfang. Der Aufsatz zeigt zunächst die Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes bei der nachehelichen Bedarfsbemessung bereits unter der Geltung des EheG, um dann in beeindruckender Klarheit und Sachlichkeit die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung der letzten ca. zehn Jahre im Ergebnis und in ihrer Begründung nachzuzeichnen. Das "Heute" wird dominiert durch die Entscheidung des BVerfG v. 25.1.2011 [FamRZ 2011, 437 ff.], die von Dose mit wenigen Strichen in ihren Kernaussagen skizziert wird, wobei zu Recht (in äußerst sachlicher Weise) manchem Diktum der Entscheidung denkbare andere Interpretationen zur Seite gestellt werden. Schließlich geht es um die rechtspraktische Quintessenz des Karlsruher Spruchs, der, so Dose, die Unterhaltsbemessung gemäß § 1578 Abs. 1 BGB nicht erleichtert hat. Nicht weniges, was die Judikatur bereits erarbeitet hatte, wird unter der neuen Stellschraube der Leistungsfähigkeit erneut zutage treten. Im Übrigen, so der Ausblick, sollte der Gesetzgeber die Gelegenheit nutzen, dem selbstgesteckten Ziel einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts durch einen legislativen Eingriff einen Schritt näher zu kommen. Einen Vorschlag dazu legt Doses Beitrag vor. - Weitere unterhaltsrechtliche Themen werden behandelt von Peter Gerhardt, Der Erwerbstätigenbonus im Unterhaltsrecht; Peter Gottwald, Zur Abänderung von Unterhaltstiteln - alte Probleme im neuen Gewande; Heinz Holzhauer, Gleichberechtigung im Unterhaltsrecht; Rainer Hoppenz, Die Abänderung von Unterhaltstiteln aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung; Frank Klinkhammer, Gesetzesbindung und Rechtsfortbildung am Beispiel der "ehelichen Lebensverhältnisse" nach § 1578 I 1 BGB; Ingeborg Rakete-Dombek, Die Form der Beurkundung in § 1585c S. 3 BGB und der gerichtliche Vergleich gemäß § 127a BGB bzw. gemäß § 278 Abs. 6 ZPO als Ersatz für die vorgesehene Beurkundungsform; Roger Schilling, § 1578b BGB - eine Zwischenbilanz; Ingeborg Schwenzer/Sophie Holdt, Ausbildungsunterhalt für volljährige Kinder; Rolf Schlünder, Die nacheheliche Solidarität - ein facettenreiches Prinzip.
Das Thema des Versorgungsausgleichs ist Gegenstand der Überlegungen von Helmut Borth, Die Neustrukturierung des Abänderungsverfahrens im Versorgungsausgleich - Reparaturstelle des neuen Versorgungsausgleichs?; Rainer Glockner, Vom Rentenausgleich zum Rentenwertausgleich; Birgit Grundmann/Matthias Schmid, Wandel der Altersvorsorge und Struktur reform des Versorgungsausgleichs; Andreas Holzwarth, Die Behandlung beim Wertausgleich vergessener oder verheimlichter Anrechte; Hartmut Wich., Die Bagatellklausel des § 18a Versorgungsausgleichsgesetz im Spannungsfeld zum Halbteilungsgrundsatz.
Das letzte Kapitel Kindschaftsrecht wird eingeleitet mit der geradezu spannenden Studie von Lore Maria Peschel-Gutzeit, "Eine stille Revolution: von der Nichtverwandtschaft zur Gleichberechtigung des nichtehelichen Vaters". Siebzig Jahre lang war das Verhältnis zwischen Vater und seinem nichtehelichen Kind durch eine rechtliche Fiktion bestimmt: "Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten als nicht verwandt" (§ 1589 Abs. 2 BGB a. F.). Die dahintersteckende Sicht des Gesetzgebers und die entsprechend verschwiemelten gesellschaftlichen, schwer diskriminierenden Anschauungen des 19. Jahrhunderts blieben Rechtswirklichkeit, bis das BVerfG im Jahre 1969 dem Gesetzgeber den bindenden Auftrag des Art. 6 Abs. 5 GG samt Termin zu dessen Erledigung so deutlich ins Stammbuch schrieb, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder am 1.7.1970 endlich eine neue Seite aufgeschlagen wurde; eine erste Seite. Die dann folgenden gesetzgeberischen Stationen und die dabei immer wieder zu Tage tretenden streitigen Rechtsfragen verfolgt der Aufsatz bis in die Gegenwart hinein, die heute auf die gesetzgeberische Antwort zur Bereinigung der verfassungswidrigen §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB wartet, mit dem nicht ernst genug zu nehmenden Hinweis, zwischen der Väterfront und Mütterfront möge am Ende nicht zerrieben werden, worum es im Kern geht: das Wohl des Kindes. - Überlegungen zu einer sowohl Praxis wie Wissenschaft eher rar beschäftigenden Vorschrift stellen die Ausführungen von Wolfgang Reimann an: § 1638 BGB - eine wenig beachtete Norm zwischen Familienrecht und Erbrecht. -Auch der Beitrag von Harald Scholz widmet sich der geschichtlichen Entwicklung des Nichtehelichenrechts: Die Gleichstellung des "unehelichen" und des ehelichen Kindes - ein langwieriger Prozess. Die Skizze umreißt die Stellung des nichtehelichen Kindes vor dem Inkrafttreten des BGB, sodann nach dessen maßgeblichen Vorschriften (Verwandtschaftsverhältnisse, Unterhalt, elterliche Sorge), den Änderungen durch das Nichtehelichengesetz von 1969 und schließlich nach den Reformgesetzen aus dem Jahre 1998. Ein langwieriger, nicht selten mit bedrückenden Abschnitten versehener Weg, den der Verfasser den Leser entlang schreiten lässt.
Die Lektüre der durchweg anregenden Festschriftbeiträge vermittelt über den juristischen Einzelgewinn hinaus vor allem die immer wieder beeindruckende, grundlegende Fortentwicklung des Ehe- und Familienrechts (erst) unter dem Eindruck des Bonner Grundgesetzes und dessen Interpretation und Anwendung durch das BVerfG."
(Prof. Dr. Martin Lipp in FamRZ 2013, 25 f.)
"(...) Diese Festschrift ist - mit allen weiteren Beiträgen - ein außergwöhnlicher Beleg für die fortwährende Entwicklung und Dynamik des Familienrechts vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen und bildet zugleich eindrucksvoll den wechselseitigen Dialog zwischen gerichtlicher Praxis und Wissenschaft ab."
(RiOLG Dr. Alexander Schwonberg in ZfF 2014, 58, 60)
"... Die Lektüre der Beiträge von insgesamt 32 Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft, Richterschaft und Anwaltschaft ist hochinteressant. Anders als in vielen anderen Festschriften sind die Beiträge auch für den Praktiker ungemein spannend zu lesen, wobei nur ein Teil der Aufsätze erwähnt werden konnte, was man mir nachsehen sollte.
Den Herausgebern Prof Dieter Schwab (ihr Vorgänger im Vorsitz der Wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht) und Hans-Joachim Dose (ihr Nachfolger im Amt des Vorsitzenden Richters am BGH) ist ein echtes Juwel gelungen."
(RA/FA FamR Klaus Schnitzler in FF 2013, 175 f.)
"Am 18.3.2012 hat Meo-Micaela Hahne, die ehemalige Vorsitzende des XII. Zivilsenats des BGH, ihren 65. Geburtstag begangen. Aus diesem Anlass ist im Gieseking Verlag eine Festschrift erschienen. Ihr Titel lautet - in Umkehrung des bekannten Begriffspaares - "Familienrecht in Praxis und Theorie".
Kann eine Festschrift mit diesem Titel auch dem Leser des FamRB, also dem familienrechtlichen Praktiker, etwas bieten?
Zur Praxis: Der Rezensent ist schnell fündig geworden. In "seinem" Senat sind mehrere Verfahren anhängig, in denen es um sog. vergessene Anrechte geht. Im Versorgungsausgleich (VA) nach altem Recht war dieses Problem leicht zu lösen. § 10a VAHRG öffnete den Weg zur Totalrevision und zur Einbeziehung aller Anrechte, auch der übersehenen. Das neue Recht stellt Hürden auf. Es grenzt die Regelsicherungssysteme (gesetzliche Rentenversicherung u.a., § 32 VersAusglG) von anderen Ausgleichssystemen, insbesondere der betrieblichen Altersversorgung, ab und beschränkt eine Abänderung auf Anrechte der Regelsysteme, § 225 FamFG. Übersehen werden aber zumeist betriebliche Anwartschaften oder Anrechte aus privaten Rentenverträgen, auf den Ausgleich der gesetzlichen Anwartschaften achtet die DRV. Kann also ein Ehegatte auch nach neuem Recht erreichen, dass die übersehene (u.U. sehr werthaltige) betriebliche Altersversorgung noch ausgeglichen wird?
Mit dieser Problematik befassen sich gleich zwei Beiträge. Holzwarth gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Regelung im schuldrechtlichen VA möglich ist; der Wortlaut des § 20 VersAusglG lasse diese Auslegung zu. Die Gegenposition vertritt Borth. Er äußert - wie andere Autoren auch - verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 32 VersAusglG; der Halbteilungsgrundsatz werde verletzt. Inzwischen hat die Kontroverse die Obergerichte erreicht. Das OLG Schleswig (FamRZ 2012, 1388 = FamRB 2012, 1388) hat die Frage, ob § 32 VersAusglG mit Art. 14 GG vereinbar ist, dem BVerfG vorgelegt. Das OLG Köln (FamRZ 2012, 1569) teilt diese Bedenken nicht. Bei Anwendung/Nichtanwendung der §§ 32 VersAusglG, 225 FamFG wird wegen Divergenz die Rechtsbeschwerde zuzulassen sein. Gewichtige Argumente findet man in beiden zitierten Aufsätzen.
Die Jubilarin hält die Vorschrift für verfassungskonform (vgl. Hahne in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 32 VersAusglG Rz. 3). Wie intensiv und lange sie sich mit dem VA beschäftigt hat, erfährt man aus dem Beitrag von Grundmann und Schmid (Staatssekretärin bzw. Leiter des Referats VA im BMJ): "Frau Dr. Hahne war als zuständige Referentin im BMJ schon an der Vorbereitung der Gesetzesreform von 1986 (Einführung des § 10a VAHRG) beteiligt. Noch 3 Tage nach ihrem 65. Geburtstag hat sie an mehreren Entscheidungen zum VA mitgewirkt."
Große praktische Auswirkungen hätte es, wenn Gerhardt mit seinem Vorschlag durchdringen sollte, den Erwerbstätigenbonus abzuschaffen. Dieser sei ein überholtes Relikt und bevorzuge den besserverdienenden Teil, obwohl der Arbeitsanreiz für den Pflichtigen und den Bedürftigen nicht unterschiedlich hoch ausfallen dürfe. Wenn beide Ehegatten vollschichtig arbeiten, leuchtet dieses Argument ein. Aber gilt dies auch im Trennungsjahr oder wenn der eine Ehegatte schon in den vorgezogenen Ruhestand wechselt, während der andere bis zur gesetzlichen Altersgrenze durcharbeitet? Vor Aufgabe einer gefestigten Rechtsprechung sollten alle Auswirkungen bedacht werden. Darauf weist Wever in seinem abgewogenen Beitrag hin, der sich u.a. mit der geänderten BGH-Rechtsprechung zur Schwiegereltern-Zuwendung (FamRZ 2010, 958 f. = FamRB 2010, 197) befasst. Rakete-Dombek erläutert praxisnah die Anforderungen, die § 1585c BGB in formeller Hinsicht an Vereinbarungen über nachehelichen Unterhalt stellt.
Zur Theorie: Auch Praktikern steht gelegentlich der Sinn nach juristischer Literatur, die sich nicht nur mit Alltagsfragen abmüht. Koch skizziert in ihrer Abhandlung das Eherecht und die Scheidungsfolgen bei Einführung des BGB (und wie die Gesetznehmer dem Gesetzgeber, der der Scheidung ablehnend gegenüberstand, schon damals ein Schnippchen geschlagen haben, z.B. durch die häufig vorgetäuschten Eheherstellungsklagen, die eine Voraussetzung für die eigentlich angestrebte Scheidung waren). 35 Jahre später waren Klagen anders motiviert: Das Reichsgericht hatte bereits am 12.7.1934 in fünf Fällen über die Anfechtung sog. Rassenmischehen zu befinden. Botur schildert Hintergründe der Verfahren. Im Abschnitt "Europäisches und Internationales Recht" erläutert Henrich den Tatbestand der Kindesentführung. Seine instruktive Darstellung weckt Interesse an der angekündigten Neuauflage seiner Schrift zum Internationalen Scheidungsrecht.
Fazit nach dieser kleinen und subjektiven Auswahl: Die Festschrift trägt ihren Titel zu Recht - "in der Praxis" heißt auch "für die Praxis"."
(VorsRiOLG Winfried Pfeiffer in FamRB 2012, 390 f.)
"Festschriften würdigen regelmäßig ein besonderes Lebenswerk. Dass ein solches hier vorliegt, bedarf - auch ohne Rückgriff auf das umfangreiche Schriftenverzeichnis (ab S. 483) - keiner weiteren Begründung; denn es wird kaum einen Familienrechtler geben, dem der Name der Jubilarin nicht bekannt wäre. Meo-Micaela Hahne, seit Januar 1992 Richterin am BGH, wurde im Frühjahr 1999 stellvertretende Vorsitzende und im November 2001 Vorsitzende des für Familiensachen zuständigen XII. Zivilsenats, in dem sie bis zum Beginn ihres Ruhestands im April 2012 tätig war. Schon 1983 wurde Frau Hahne in die wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht aufgenommen, in deren Vorstand sie seit 1987 tätig war, die sie über zwölf Jahre lang als Vorsitzende geleitet hat und deren Ehrenvorsitzende sie inzwischen ist. Bereits seit 1987 ist sie Mitherausgeberin der FamRZ.
So mancher sieht in einer Festschrift vielleicht nur eine nette Anschaffung für den bibliophil veranlagten Leser ohne praktischen Nutzwert. Das vorliegende Werk ist über diesen Verdacht in jeder Hinsicht erhaben, was schon im Titel ("Familienrecht in Praxis und Theorie" - man beachte die Reihenfolge) zum Ausdruck kommt. Die Auswahl der Themen bestätigt dies eindrucksvoll. Ob man in die Abschnitte zum Familienvermögensrecht, zum Unterhaltsrecht, zum Versorgungsausgleich oder zum Kindschaftsrecht schaut: Aktuelle "Baustellen" finden sich dort ebenso wie "Dauerbrenner"' der täglichen Praxis. Einige Beispiele (pars pro toto): Ist die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch zeitgemäß?; Probleme der Kernbereichslehre bei Eheverträgen zum Güterrecht; Schenkung unter Ehegatten - eine verdächtige Sache?; Das Maß des nachehelichen Unterhalts vorgestern, gestern, heute, morgen, übermorgen; Der Erwerbstätigenbonus im Unterhaltsrecht; § 1578 b BGB - eine Zwischenbilanz; Von der Nichtverwandtschaft zur Gleichberechtigung des nichtehelichen Vaters; Die Gleichstellung des "unehelichen" und des ehelichen Kindes - ein langwieriger Prozess. Rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Untersuchungen runden das Bild ab.
Mein Fazit: Die Festschrift für Meo-Micaela Hahne ist eine wahre Fundgrube für jeden, der sich - praktisch oder theoretisch - mit aktuellen Problemen des Familienrechts befasst."
(RA Dr. Winfried Born in NJW 2013, 360)
"Die Jubilarin, zu deren 65. Geburtstag diese Festschrift veröffentlicht worden ist, hat so manchen "aba-Infotag Versorgungsausgleich" mit einem pointiert vorgetragenen Referat bereichert. So leitete sie bei der ersten Veranstaltung dieser Art im Jahr 2007, als die Diskussion über die Strukturreform noch in vollem Gange war, ihren Vortrag mit den Worten ein: "Ich gestehe es frei heraus: Ich möchte das Übel des Versorgungsausgleichs gegenwärtiger Prägung nicht mehr länger ertragen." Doch schon 1995 hatte Hahne auf einer aba-Herbsttagung zu "Betriebsrenten im Versorgungsausgleich" gesprochen; später waren es dann die Darstellung des neuen Rechts sowie die ersten BGH-Urteile hierzu, die Hahne den Teilnehmern der Veranstaltungen nahebrachte.
Die vielen Facetten des Familienrechts, dem Hahne von ihrer Ernennung zur Richterin auf Lebenszeit im Jahr 1977 bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand als Vorsitzende Richterin am BGH im April diesen Jahres in besonderer Weise verbunden war, spiegeln sich in den Beiträgen der Festschrift wider: die Abschnitte "Familienvermögensrecht", "Unterhaltsrecht", "Versorgungsausgleich" und "Kindschaftsrecht" werden ergänzt um Aufsätze zu den Themen "Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung" sowie "Europäisches Recht und Internationales Recht".
Innerhalb des Kapitels über den Versorgungsausgleich ist es der Beitrag von Grundmann/Schmid "Wandel der Altersvorsorge und Strukturreform des Versorgungsausgleichs", der die intensive Begleitung des Reformprozesses durch Hahne würdigt und dem Leser dessen Entwicklung bis hin zu seinem (vorläufigen) Ende durch das Inkrafttreten des VersAusglG nahebringt.
Vier weitere Aufsätze befassen sich mit interessanten Detailfragen zum neuen Recht:
- Borth, Die Neustrukturierung des Abänderungsverfahrens im Versorgungsausgleich - Reparaturstelle des neuen Ver-sorgungsausgleichs?
- Glockner, Vom Rentenausgleich zum Rentenwertausgleich
- Holzwarth, Die Behandlung beim Wertausgleich vergessener oder verheimlichter Anrechte
- Wick, Die Bagatellklausel des § 18 Versorgungsausgleichs-gesetz im Spannungsfeld zum Halbteilungsgrundsatz.
Dem im Vorwort der Herausgeber Dose/Schwab im Blick auf die Jubilarin formulierten Wunsch, dass "... die Rechtswissenschaft von ihrer Kreativität noch viele Impulse erfahren wird", kann man sich nur anschließen und hinzufügen, dass dieser Festschrift viele Leser zu wünschen sind."
(Rezension aus: Betriebliche Altersversorgung 2012, 555)